// 11.05.2012 //
Die Trierer Frauenbeauftragte Angelika Winter im Interview über das Lokale Bündnis für Familien
Frau Winter, seit wann sind Sie Frauenbeauftragte und was machen Sie?
Begonnen habe ich im August 2008. Das Trierer Bündnis für Familie ist einer meiner Schwerpunkte. Ich bin überzeugt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Schlüssel zur gleichberechtigten
Teilhabe am Erwerbsleben ist. Was man da initiiert, kommt Frauen und Männern zugute! Frauen tragen immer noch die Hauptlast dabei, eine Familie zu managen. Daher ist dies ganz klar ein Feld für die Gleichstellungspolitik vor Ort! Mein zweiter Schwerpunkt ist Gender Budgeting und dessen Einführung in die Verwaltung. Das bedeutet, sowohl Ausgaben als auch Einsparungen sollen möglichst geschlechtergerecht und somit passgenau erfolgen. Davon können alle profitieren.
Wann und warum wurde das Trierer Bündnis für Familien ins Leben gerufen?
Bereits im Jahr 2004 hat es die damalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt auf Bundesebene initiiert. In Trier gibt es das Bündnis seit September 2010. Ins Leben gerufen hat es Oberbürgermeister Klaus Jensen, für den dies schon immer eine Herzensangelegenheit war. Mit dabei waren etwa das Finanzamt und die Agentur für Arbeit. Ich wurde Koordinatorin und habe schnell gemerkt, dass dieses Netzwerk sehr engagiert zusammenarbeitet. Diese Gestaltungsmöglichkeiten schätze ich sehr. Da macht die Arbeit richtig Spaß! Auch mir liegt diese Arbeit sehr am Herzen. Ich denke, dass für viele Frauen, vor allem für Alleinerziehende, die Lebenssituation sehr belastend ist. Das gilt natürlich auch für die Kinder. An dieser Stelle müssen wir investieren! Was mich immer wütend macht, ist, wenn man einkommensschwache Familien mit sozial schwach und bildungsfern gleichsetzt!
Was sind zentrale Ziele des lokalen Bündnisses für Familien?
Es geht um die Förderung einer familienfreundlichen Arbeitswelt, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich finde es ganz wichtig, die Wirtschaft mit ins Boot zu nehmen! Wir möchten Standortpolitik für Trier machen – für Familien und für Unternehmen. Ich denke, neben Kinderbetreuung muss auch das Thema Pflege in die Köpfe der Unternehmer.
Welche Vorteile haben familienfreundliche Firmen?
Eine familienfreundliche Arbeitswelt ist durchaus ein Standortfaktor für die Wirtschaft. Wir wollen nicht etwa an die gesellschaftspolitische Mitverantwortung der Firmen appellieren, sondern wir laden sie ein, mitzumachen! Wenn beispielsweise ein Betrieb mit einer Kinderbetreuungseinrichtung kooperiert und Ferienbetreuung für Kinder organisiert, kann er damit Fluktuation und Krankenstand seiner Mitarbeiter reduzieren. Sie sind zufriedener, weil die Firma ihren Bedürfnissen entgegenkommt. So bleibt dem Betrieb das Know-how erhalten, und er muss nicht immer wieder neue Leute rekrutieren. Darüber hinaus können die Kosten für Kinderbetreuung betriebskostenmäßig abgesetzt werden. Ich habe den Eindruck, dass Firmen da langsam umdenken. Lebensphasenorientierte Personalpolitik ist das Stichwort! Große Betriebe machen so etwas schon länger, in Trier gibt es bisher relativ wenige.
Wer ist alles an dem lokalen Bündnis für Familien beteiligt, und wie arbeitet es?
Das Bündnis ist ein loser Zusammenschluss von Unternehmen, Organisationen und Institutionen. Sie alle wollen dazu beitragen, dass die Stadt Trier noch familienfreundlicher wird, als sie es jetzt schon ist. Ich als Bündniskoordinatorin bin die einzige Hauptamtliche, alle anderen über 40 Bündnispartner engagieren sich ehrenamtlich im Bündnis. Daher können Projekte auch mal ein bisschen mehr Zeit brauchen! Das Kuratorium ist das Entscheidungsgremium des Bündnisses, darunter ist die Lenkungsgruppe, die Aktivitäten vorbereitet und steuert. Wir haben drei Arbeitsgruppen: „Kommunikation“, diese hat zum Beispiel die Website erstellt. „Arbeitgebende“, diese geht auf Unternehmen zu und sucht Bündnispartner. Die Gruppe „Betreuung“ initiiert und fördert Projekte, die einen Betreuungsausbau begleiten.
Was hat das Bündnis bisher erreicht, was sind Beispiele für gelungene Angebote für Familien?
Das Finanzamt zum Beispiel hat bereits seit Jahren ein Ferienprogramm organisiert, an dem sich mittlerweile die AOK, das Polizeipräsidium, der Landesbetrieb Mobilität und die Agentur für Arbeit beteiligen. Es ist immer größer geworden, eine sehr gute Sache. Eine Idee, die im Bündnis verfolgt wird, betrifft eine Kinderkrippe in Zewen, die ausgebaut werden soll. Die Unternehmen vor Ort sollen mit eingebunden werden, beispielsweise dadurch, dass sie sich an den Investitionskosten oder an den Arbeiten beteiligen. Der Träger der Krippe kommt aus der freien Jugendhilfe. Er verhandelt mit den Unternehmen in Bezug auf die Kosten für Krippenplätze. Die Firmen können sich praktisch Belegplätze einkaufen – für die Kinder ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch unsere Website, die wir im Februar vorgestellt haben, finde ich sehr gelungen! Sie hat viel Lob von Familien bekommen und wird gern genutzt. Sie besteht aus zwei Säulen, für die Zielgruppe der Familien und der Unternehmen. Für Familien haben wir ganz viele Informationen gebündelt, die Seite ist eine Art Netzwerkschaltstelle. Unternehmen erfahren dort, welche Möglichkeiten sie haben in Bezug auf Familienfreundlichkeit. Das betrifft ja vor allem kleinere und mittlere Betriebe. Es gibt da jede Menge Handlungsfelder, viele Maßnahmen sind möglich.
Wie sieht die Situation in Trier für Familien aus, in welchen Punkten könnten die Lebensund Arbeitsbedingungen noch verbessert werden?
Ein großes Stichwort ist natürlich Wohnraum. Im Bündnis befassen wir uns aber mit Fragen wie
twa den Öffnungszeiten der Kitas. Oft passen sie nicht zu den Arbeitszeiten der Eltern. Die Gruppe „Betreuung“ im Bündnis will recherchieren, wie andere Städte mit zu kurzen Betreuungszeiten umgehen, wenn beispielsweise Elternteile schon um sechs Uhr morgens oder bis nachts um zehn arbeiten müssen: Gibt es dann eine Art Springerpool, oder flexible Tagesmütter/-väter? Könnten Modelle auf Trier übertragen werden? Zum anderen muss auch eine Diskussion über eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten geführt werden. Beispielsweise sollten Mütter/ Väter mit kleinen Kindern keine Schicht arbeiten müssen. Im kommenden Jahr haben Familien mit einem Kind unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Das bedeutet viel Arbeit für die Stadt. Alle Akteure müssen an einen Tisch gebracht werden. Ein unglaublicher Ausbau ist nötig, um dem gerecht zu werden! Ein wichtiges Thema ist auch bezahlbare Ferienbetreuung. Schulkinder haben im Jahr 62 Tage frei, aber die Eltern bekommen maximal 30 Tage Urlaub. Das Verbundmodell des Finanzamts lässt sich da gut auf andere Unternehmen übertragen. Gemeinsam kann man solche Dinge leichter organisieren! Ob Unternehmen, Kommune oder Familien – jeder hat etwas davon, wenn man gemeinsam nach Lösungen sucht.
Das Trierer Lokale Bündnis für Familien im Internet: www.familie-trier.de DQ
Frauen im Erwerbsleben
Angelika Winter, Trierer Frauenbeauftragte, setzt sich für gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben ein.